Die Welt spielt verrückt. Ein unsichtbares Etwas hält künstlich alle in Schach.
Mir reicht’s! Deshalb konzentriere ich mich mal wieder aufs für mich Wesentliche: „BEGEGNUNGEN“. Ein Widerspruch in „diesen Zeiten“, da man doch Kontakte am besten vermeiden soll? Mitnichten. Denn zum einen pflege ich meine naturgemäß wenigen Kontakte nach Herzenslust, und zum anderen schreibe ich darüber.
Hier mal wieder ein Blick durchs Schlüsselloch in eine Geschichte aus „Komische Vögel und Zeitfreundschaften“, und zwar aus „Suddenly Bingbong“:
[…] „Schau mal ins Handschuhfach“, meinte Tommy und lächelte geheimnisvoll-schelmisch. „Ich hab dir was mitgebracht.“
Er lächelte noch breiter und offenbarte dabei eine Doppelreihe unschöner Zähne. Ich guckte schnell wieder weg und streckte die Hand schon aus, um das Fach zu öffnen.
„Das war aber so nicht vereinbart“, sagte ich verunsichert und war auch etwas erschrocken.
„Aber du glaubst doch wohl nicht, das ich zur ersten Verabredung mit einer Frau ohne ein kleines Geschenk komme“, gab er erstaunt zurück.
Ich fand im schmalen Handschuhfach ein kleines türkisfarbenes Päckchen mit goldener Schnurschleife. Den Aufkleber brauchte ich nicht mehr lesen, denn an Farbe und Schleife erkannte ich sofort, dass er bei Douglas gewesen war. Na, da wagte er sich aber auf ziemliches Glatteis, wenn er mir ein Parfum gekauft hatte, dachte ich, und am Horizont meines unaufgeregten Gemüts kam die Schadenfreude angeritten. Ich hatte nämlich einen speziellen Geschmack und wirkte auf manche Männer in Hinsicht auf die großen Düfte der weiten Welt recht anspruchsvoll.
Ein Duft von Onkel Armani! Donnerwetter! Ich war schon sprachlos und der „Bingbong“-Tommy registrierte es mit zufriedenem Gegrinse.
„Da hab ich wohl ins Schwarze getroffen, was?“ Er wackelte lustig mit den Augenbrauen. Keine Ahnung, wie er das machte.
„Mhm“, machte ich sprachlos.
„Ich hab der Frau bei Douglas genau beschrieben, für welche Art von Frau ich den Duft suche, und sie hat ohne Zögern als Erstes zu diesem Armani-Duft gegriffen. Ich sehe, dass mein Lieblingsdesigner mich auch in Sachen Damen-Duft nicht im Stich lässt“, erzählte er selbstzufrieden und fügte hinzu: „Ich trage nämlich ausschließlich für mich angefertigte Hemden von Armani. Wegen der Überlänge der Arme und dem schlanken Schnitt. Da gibt’s nix von der Stange.“
Aha. Musste ich das wissen? Was wollte er mir damit sagen? Wollte er mich beeindrucken? Das war ihm mit dem Parfum, das wirklich umwerfend gut duftete, ja auf Anhieb gelungen. Und was hieß: ‚anfertigen lassen‘? Überlänge der Arme? Schlanker Schnitt? – Na ja, dachte ich und betrachtete ihn verstohlen von der Seite, viel war nicht dran an ihm. Ob es am Niederrhein nur Grünfutter gab? Tommy war starker Raucher und Literweisekaffeetrinker. Solche Menschen waren meistens superschlank. Dabei hatte ich das dürre Knochengerippe aus der Anti-Raucher-Werbung vor Augen: Rauchen macht schlank! Der Mann neben mir bestätigte das voll und ganz.
Wir fuhren als Erstes zu einer Tankstelle. Das schnelle Pferdchen unter Tommys dürrem Hintern schluckte nämlich eifrig Sprit, weil sein Herr und Reiter ihm unterwegs auf knapp 250 Kilometern ordentlich die Sporen gegeben hatte. Er stieg aus und hievte sich aus dem tiefen Sitz.
Als er wenig später zum Bezahlen ins Büro ging, blickte ich ihm nach. Er hatte einen merkwürdigen Gang. Dabei schien er die Beine unabhängig vom übrigen Körper zu bewegen. Die Hüfte bewegte sich so gut wie gar nicht, während die Beine ihn schlackernd vorwärts beförderten. Die langen Arme – wirklich und wahrhaftig eine ordentliche Überlänge! – schlenkerten dabei ziellos neben dem Oberkörper her wie bei einer Marionette.
Irgendwie erinnerte er an Pinocchio. Nur die Nase ähnelte der Marionette gar nicht. Nicht deshalb, weil sie nicht lang und spitz war, wie nach einer Lüge, sondern weil Tommys Nase offensichtlich mal gebrochen war. Die Nasenspitze zeigte deswegen auffallend in eine andere Richtung als das übrige Gesicht, obwohl die Nasenwurzel korrekt zwischen den Augen saß. Dabei war die ganze Nase sehr kurz und die Spitze leicht nach oben gerichtet. Vielleicht hatte er mal einen Auffahrunfall? Hätte mich nicht erstaunt bei diesem Fahrstil.
Ich seufzte. Was mochte dieser Abend bringen? 250 Kilometer Anfahrt für ein Abendessen! Ein nicht gerade billiges Parfum seines Lieblingsdesigners Armani. Die erste Verabredung mit einer Frau? Die letzten Worte meines Gedankens hallten in meinem Geist mehrfach wider. War mir vorhin gar nicht so bewusst. Was meinte er denn mit der „ersten Verabredung“? Wollte er noch öfter kommen? Wäre mir das recht? […]“
Rückblickend auf das Leben werden die meisten Menschen feststellen, dass sie dem einen oder anderen „komischen Vogel“ begegneten, oder? Das Schöne an meinen Erinnerungen ist, dass ich heute das vorwiegend Positive, das Heitere, das Komische sehe und meinen Blick weniger auf das richte, was unerfreulich und/oder traurig gewesen ist.
Eines haben alle meine Begegnungen gemeinsam: Ich habe viel erfahren und gelernt. Jede Begegnung hielt ein zumindest kleines „Geschenk“ bereit, das mich in meiner persönlichen Entwicklung weiterbrachte und die Menschenkenntnis schulte.
Der oben zitierte Ausschnitt stammt aus der Geschichte „Suddenly Bingbong“, die ihr im Band II der Reihe „BEGEGNUNGEN“ mit dem Titel „Komische Vögel und Zeitfreundschaften“ findet.
Erschienen bei tredition, Hamburg und dort im Buchshop und/oder auch bei Autorenwelt.de erhältlich für nur 9,90 € als Paperback oder 16,90 € als Hardcover.
Ein hübsches unterhaltsames Geschenk oder Mitbringsel für alle Zeiten, auch für „Zeiten wie diese“, damit wir das Schmunzeln und Lachen nicht verlieren 😉
Foto von Denise Husted (USA) http://www.pixabay.com